Input 19-12: Preisbewusstsein beeinflusst die urbane Vitalität

Ein gutes Konsumklima stimuliert die urbane Vitalität. Bis 2012 gab es keine Zweifel an der Wohl-standsinsel Schweiz. Alle Menschen in der Schweiz sind reich, das war eine gesetzte Tatsache. Das wurde nicht in Frage gestellt und wirkte wie ein Magnet. So fand jede Fläche einen Mieter, bis 2012 erlebte die Schweiz ein Wachstum an Verkaufsflächen. Mit dem Ergebnis, dass die Schweiz schnell weltweit den Spitzenplatz erreichte. Nirgends gab es gemessen an der Einwohnerzahl mehr Verkaufsflächen.

Ein Missstand, der sich seit 2015 stark korrigiert. Seither rücken die Fakten in den Vordergrund. Und sie sprechen eine andere Sprache. Die Einkommen sind zu ungleich, die fixen Ausgaben für Gesundheit und Miete für Viele zu hoch. Die frei verfügbaren Haushaltausgaben bleiben tief. (IP-Letter 10/11/12). Die Überalterung verstärkt diesen Umstand noch. Die Konsumausgaben der Haushalte steigen schon lange nicht mehr. Als ob das nicht schon genug wäre, kommt mit dem technologischen Fortschritt eine neue, massgebliche Herausforderung auf uns zu. Dieser ermöglicht den zeitunabhängigen Vergleich von Preis und Qualität sowie den Einkauf per Knopfdruck.

Für den stationären Detailhandel ist das fatal. Die Margen und die Produktivität (Umsatz pro m2 Verkaufsfläche) sinken, die Betriebskosten steigen.

Die frei verfügbaren Haushaltausgaben sind nicht der einzige, aber ein bestimmender Indikator. Solange sie sich nicht verbessern, beschleunigt sich der Rückzug des stationären Detailhandels weiter. Und es sieht nicht danach aus, dass sich daran selbst auf lange Sicht etwas ändert. Der Detailhandel war jahrzehntelang der Selbstläufer urbaner Belebung, der wichtigste Arbeitgeber und Ertragsbringer für die Immobilien.

Die Zentrumsgebiete müssen neue Werte, neue Wertschöpfung und neue Attraktivität finden. Und davon sind alle Akteure betroffen. Die Kommunen, die Politik, der Städtebau, die Architektur, die Nutzer sowie ganz speziell die Immobilienwirtschaft.

Diese neuen Attraktivitätsmerkmale werden uns künftig weiter beschäftigen.

Input 19-11: Auch die Mietkosten belasten das Haushaltbudget

Hohe gebundene Haushaltausgaben beschränken den Spielraum der Haushalte bezüglich der frei verfügbaren Haushaltausgaben.
Nebst den hohen Ausgaben für die Gesundheit (IP 11) fallen die Wohnkosten stark ins Gewicht. 16% der Haushaltausgaben werden durchschnittlich dafür benötigt. Für viele Normal- und Tiefverdiener ist der Anteil sogar wesentlich höher und steigt bis zu 30%.

Stark begünstigt sind die Haushalte in einem langjährigen Mietverhältnis oder mit Sitz in einer Genossenschaftswohnung. Ebenfalls zu den Gewinnern gehören Haushalte, deren Wohnung im Eigentum ist.
Stark belastet ist im allgemeinen das Wohnen in Miete. Am stärksten belastet sind die Haushalte mit Marktmiete; also alle Erst- und Wechselmieter.

Die Niederzins-Politik schafft Ungleichheiten. Sie begünstigt das Wohnen im Eigentum und verteuert das Wohnen in Miete. In urbanen Gebieten ist das Mietwohnen, in wenig dichten Gebieten das Eigentumswohnen stärker vertreten. Damit sinken die frei verfügbaren Haushaltausgaben in urbanen Gebieten und steigen dort, wo der Wohnungs-Altbestand und das Eigentumswohnen hoch ist. An kurzen Zeiträumen gemessen können ändernde Zinssituationen vernachlässigt werden. Sollte sich der Niederzins noch über ein, zwei oder gar mehrere Jahrzehnte halten, sind die Auswirkungen auf die lokal verfügbaren Haushaltausgaben bedeutend.

Die frei verfügbaren Haushaltausgaben sind die entscheidende Grösse für eine pulsierende Binnenwirtschaft und damit für die Angebots-Vielfalt der Stadtzentren und Ortskerne.

Die Kosten für Gesundheit und Wohnen schränken die frei verfügbaren Haushaltausgaben ein und schaffen ein Ungleichgewicht zwischen dem Wohnen in Miete und im Eigentum.

Aus heutiger Sicht liegt es nahe, dass die frei verfügbaren Haushaltausgaben über die nächsten ein, bis zwei Jahrzehnte laufend geringer werden. Der Preis wird das Konsumverhalten noch verstärkter prägen. Davon betroffen sind alle Akteure der Innenstädte, Zentrums- und Altstadtgebiete sowie Ortskerne.

Input 19-10: Gesundheitskosten werden bald untragbar

Bei zwei Drittel der Haushaltungen in der Schweiz ist der Spielraum für frei verfügbare Haushaltausgaben gering. Das Lohnniveau ist zwar hoch aber ungleich verteilt. Das gilt auch für die gebundenen Haushaltausgaben. Sie sind sehr hoch und treffen Normal- und Tiefverdiener in hohem Masse. Die Gesundheitskosten gehören dazu. Deutlich über 90 Milliarden Schweizer Franken geben wir jährlich für Arztbehandlungen, Spital- und Langzeitpflege, Zahnbehandlungen sowie für selbst bezahlte Medikamente aus. Diese Summe entspricht unseren gesamten Detailhandels-Ausgaben. Lebens- und Genussmittel, Medikamente, Körperpflege, Kleider, Schuhe, Haushalt, Unterhaltungs -und Kommunikations-Geräte, Sport, Uhren, Schmuck, Möbel, u.v.m..

Basierend auf vieler Indikatoren hat die InterUrban im Jahr 2000 vorausgesagt, dass im 2020 die Gesundheitskosten gleich hoch sein werden wie die gesamten Detailhandels-Umsätze. Im 2000 lagen die Gesundheitsausgaben noch bei 45 und die Detailhandels-Umsätze bei 82 Milliarden. Schweizer Franken. Heute liegen sie bei je 92 Milliarden.

Heute zeigt sich, dass die Voraussage absolut treffsicher war. Aber sie bereitet in keiner Weise Freude. Das Resultat ist schockierend. Auch die Perspektiven sind nicht ermutigend. Die Gesundheitskosten sind dem Willen der Politik, der daran beteiligten Wirtschaft und der Gesellschaft ausgesetzt. Es bräuchte viel Optimismus zu glauben, es ändere sich etwas. Es hilft auch nicht, wenn Gesundheits-Experten die Überzeugung vertreten, das eine Reduktion der Gesundheitskosten um 25%, ohne Einbussen der Qualität möglich wären. Eine derartige Einsparung entspricht beinahe den gesamten jährlichen Ausgaben für den ausser Haus Konsum für Verpflegung und Getränke.
Die Kosten für Gesundheit werden weiter steigen und die Mehrheit der Haushaltungen wird aufs Äusserste strapaziert. Währenddessen werden die Preise im Detailhandel eher weiter sinken.

Die Gesundheitskosten hemmen das Wohlbefinden der Bevölkerung in steigendem Masse. Darunter leiden wird die gesamte Binnenwirtschaft.
Und damit auch die Innenstadt- und Zentrumsgebiete. Sie bedienen individuelle und hochwertigere Ansprüche. Dafür notwendig ist eine gewisse Flexibilität der frei verfügbaren Haushaltausgaben.
Wir sind gut aufgehoben, wenn wir krank sind und es wird eng, wenn wir gesund sind.

Auf einen weiteren Ausgabetreiber gehen wir im nächsten Input-Letter ein.

Input 19-09: Kaufkraft wird überschätzt

Die Innenstädte zeichnen sich aus durch ein grosses, vielfältiges Angebot im stationären Detailhandel, in der Gastronomie und den persönlichen Dienstleistungen. Mittelgrosse und gar kleine Städte, neue Stadtquartiere, sie alle sollen ein umfassendes Versorgungsangebot und belebte Erdgeschosse aufweisen. Die Politik, die Bewohner, die kommunalen Verwaltung und auch die Planenden bis hin zu den Investoren. Sie alle sehen nur Konsumenten.

Dabei ist es überall gleich, die Nachfrage nach Anbietern ist schlicht gering, weil die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist. Es fehlen Kunden, oder deren Ausgabefreudigkeit ist gering. Ein Grund dafür ist der finanzielle Spielraum der Mehrheit der Haushalte. Dieser ist bei vielen limitiert. Kann das sein in der reichen Schweiz?

Immer wieder wird uns gesagt, dass die Schweiz zu den reichsten Ländern gehört. Gemeint ist damit das durch die Bewohnerzahl geteilte, sehr hohe  Gesamtvermögen.

Fakt ist, dass der Median, also die Realität, etwas anderes aussagt. 50% der Reineinkommen liegen unter CHF 52‘000.-. Bei rund 65% der Haushalte liegt das Vermögen unter CHF 100‘000.-. 30% der Schweizer sind nicht in der Lage, eine unverhoffte Ausgabe zu tätigen. Rund zwei Drittel der Personen in der Schweiz haben kaum Spielraum für Konsumausgaben.

Aufgrund der Einkommen zeigt sich, dass die Vielfalt des Versorgungsangebotes weiter abnehmen und die Nachfrage nach Tiefpreisgütern gross bleiben wird. Insbesondere für Zentrumsgebiete ist das eine grosse Herausforderung. In diesen ist der Betrieb von Geschäften sehr teuer.

Das Thema geht weiter, mehr dazu in Kürze.

Input 19-08: Strategisches Change Management

Für den Paradigmenwechsel steht das Jahr 2010. War jahrzehntelang alles berechenbar, veränderte sich ab jetzt alles.
Das jahrzehntelange Wachstum des stationären Detailhandels gibt es nicht mehr. Es wird abgelöst von einem einschneidenden Geschäftsrückgang.
Das Kundenverhalten ändert sich und die neuen Online-Absatzkanäle gewinnen Umsätze. Der stationäre Non-Food-Detailhandel zieht sich zurück. Stark davon betroffen ist der Bereich Mode. An Bedeutung gewinnt die Gastronomie. Es verändern sich der Nutzungsmix, die Nutzermodelle, Betriebszeiten, Emissionen, Zirkulation, Freiräume, Mobilität, das Klima. Die Notwendigkeit der Steuerung nimmt zu.
Das wird immer schwieriger. Die gefragten Entscheidungsträger sind die Eigentümerschaften von Geschäftsflächen und die Geschäftsbetreiber. Beide Gruppen sind immer weniger lokal verankert und kaum noch persönlich ansprechbar. Entscheide werden weit weg vom Objekt gefällt.

Fazit
Das City-Management neu gedacht – Innenstädte brauchen Transformationsfähigkeit. Darum ist die Qualität der Vernetzung aller Akteure der entscheidende Erfolgsfaktor.
Der erste und wichtigste Schritt zum City-Management ist eine Prozess-Struktur. Sie ist für jedes Handlungsfeld einsetzbar. Die beste personelle Besetzung für ein wirkungsvolles City-Management scheitert, wenn eine Prozessstruktur fehlt.

Input 19-07: Das City-Management im Zeitraffer

In den siebziger Jahren setzte man in den Innenstädten auf Sympathiegewinnung und verkehrsbefreite Zonen. Damit folgte die Verbannung eines Teils der Parkplätze. Das enorme Wachstum an Konsumangeboten siedelte sich neu an Autostandorten. Das Angebots-Mengengerüst in den Innenstädten blieb konstant. Das ganzheitliche City-Management entwickelte sich.
Ab 1990 veränderte sich der Branchenmix in den Innenstädten. Verschiedenste Bereiche wie Garten, Haushalt, Unterhaltungselektronik, Sport, Bücher und Papeterie zogen sich zurück. Modeangebote zogen zu. Die Vielfalt nahm ab.
Ab 2005 setzte die Erkenntnis ein, dass Eigentümer von Immobilien in die Entwicklungen einzubeziehen sind.
Ab 2010 nahmen Kundenfrequenzen und die Flächenproduktivität des stationären Detailhandels kontinuierlich ab.
Obwohl sich seit 1990 das ganzheitliche City-Management im deutschsprachigen Raum etablierte, lag der Handlungsschwerpunkt bei der Belebung. Mehrheitlich im Zentrum standen der Detailhandel, Belebungsaktivitäten, die Öffnungszeiten und die Parkplätze. Die Zuständigkeit lag mehrheitlich bei den Geschäftsvereinigungen. Das professionellste Zentrums-Management hatte die Altstadt Winterthur. Das ist inzwischen Geschichte.

Input 19-06: Mietpreissteigerungen im Detailhandel sind kein Selbstläufer mehr

Das Immobiliengeschäft in Zentrumslagen der letzten Jahrzehnte war geprägt von einem grossen Wertzuwachs der Standorte. Zumindest im Bereich Detailhandel ändert sich das rapide. Der Verkauf erfordert zwei Angebotskanäle, nämlich einen Stationär und einen Online. Folge: Die Kosten steigen aber der Umsatz bleibt gleich. Was liegt also näher, als die Stationär-Miete zu hinterfragen?

Input 19-05: Neuvermietungen werden herausfordernd

Suchen Geschäftsflächen in Zentrumslagen neue Mieter, wie der Fall OVS (früher Vögele) stellvertretend für viele aufzeigt, lassen sich die Top-Standorte gleichwertig vermieten. Schwierig wird es bereits bei Standorte, die etwas schlechter gelegen sind. Da fallen Leerertragszeiten länger aus. Das gewohnte Ertragsniveau wird tiefer, die zukünftigen Mietverhältnisse risikoreicher.

Input 19-04: Wertverlust minimieren

Im Zeitraum 2016 bis 2021 werden in den Zentrumsgebieten der Schweiz rund eine Million an Verkaufsflächen infolge der Wettbewerbsunfähigkeit einen Wechsel vornehmen. Solvenzverluste, bauliche Anpassungen, Zwischennutzung und der Aufwand für die Neuvermietung werden Kosten von rund einer Milliarde Schweizerfranken verursachen. Weit mehr als üblich.

Input 19-03: Keine Leerstände dank Pop-up-Stores?

Pop-up Stores werden Leerstände minimieren, so die Sicht heute. Pop up-Stores besetzen Verkaufsflächen zur zeitlimitierten Nutzung. Sie sind erfrischend, beliebig, unbeholfen, oder einfach trendig. Ein Selbstläufer für wieder steigende Besucherfrequenzen in den Zentrumsgebieten sind sie aber selten. Sie bringen keine Frequenz, sie suchen sie. Darum drängen sie an die spärlich vorhandenen Bestlagen.

Inputs: Pop-up-Stores sind Teil, aber nicht Träger der urbanen Vielfalt.